
Erfahrungsbericht für weltwärts -Nummer 1- Drei Monate in Dar Es Salaam
Mein Name ist Leonie ich bin 20 Jahre alt und im Rahmen des weltwärts Programms in Zusammenarbeit mit der Entsendeorganisation Kawaida e.V., lebe ich nun seit drei Monaten in der ostafrikanischen Großstadt Dar Es Salaam.
Meine Arbeitsstelle ist ein Kindergarten im Stadtteil Kinondoni.
Montags bis bFreitags arbeite ich regulär von 7.30-12.30 und selten Nachmittags, je nachdem ob noch Kinder da bleiben oder nicht. Jedoch planen wir ab Anfang nächsten Jahres auch eine Nachmittagsbetreuung ins Leben zu rufen.
Es sind nun drei Monate vergangen und ich erinnere mich noch genau an den ersten Tag hier in Dar, in meinem neuen Zuhause, einer Wohnung im Stadtteil Ubungo, die ich mir für die nächsten dreizehn Monate mit meinem Mit-freiwilligen Cornelius teilen würde.
Mittlerweile ist von der anfänglichen Unsicherheit im Alltag kaum mehr etwas übrig, ich merke wie ich im souveräner mit meinen Mitmenschen umgehen kann und an alltägliches, wie den Verkehr, der mich in den ersten Wochen sehr gestresst hat, habe ich mich auch schnell gewöhnt.
Was mir am Anfang noch schwer viel, war die Menschen einschätzen zu können. Trotzdem ich schon einmal in Tansania gewesen war, bevor ich meinen Freiwilligendienst antrat, stellte ich vor allem in der Arbeit fest, dass ich aufpassen musste nicht alle Handlungen der anderen nach meinem eigenen Denkmuster zu definieren und zu bewerten. Nach wie vor, stelle ich immer wieder fest, dass ich mich nicht nur auf meine Menschenkenntnis verlassen kann sondern mir in den Kopf rufen muss, dass mein Gegenüber vielleicht einen komplett anderen Denkansatz haben kann ohne dass ich es merke, weil ich noch nicht wirklich darüber sprechen kann.
Diese Tatsache, nicht gut genug die Sprache der Menschen um mich herum sprechen zu können, bereitet mir bis heute noch die größten Sorgen. Vor allem mit meiner Chefin stellte sich das als echte Herausforderung heraus, denn sie spricht ausschließlich Swahili und dann noch dazu ziemlich schnell. Im Arbeitsalltag haben wir deshalb nicht immer gut kooperieren können, was vor allem für den Unterricht in unserer gemeinsamen Klasse aber auch ganz allgemein ganz gut gewesen wäre. Momentan bin ich aber guter Dinge, dass ich das mit der Sprache noch hinbekommen werde.
Das Zusammenleben mit einem anderen Freiwilligen hat gute und schlechte Seiten, wobei ich eher von den guten berichten kann. Zu Anfang unserer Zeit hier lebten wir noch mit unseren beiden Vorgängerinnen zusammen, was einerseits hilfreich war aber auch dazu beitrug, dass ich mich abhängig gefühlte und erst mal wieder an Selbstvertrauen gewinnen musste, als sie abgereist waren. Außerdem war es für uns als Nachfolger schwierig uns heimisch zu fühlen, solang wir noch auf dem Sofa schliefen und aus dem Rucksack lebten. Auch die Vorgänger, waren verunsichert wo sie hingehörten, als mein Mit-Freiwilliger und ich nach einigen Wochen anfingen die Wohnung nach unserem Belieben einzurichten und sie so nach und nach übernahmen.
Seit dem wir nun zu zweit wohnen, hat sich alles ein bisschen entspannt. Ich habe vor allem in den ersten beiden Monaten aber auch jetzt noch oft gespürt, dass es mir sehr geholfen hat, dass ich wusste es gibt jemanden neben mir der ähnliches „durchmacht“. Trotzdem wir nicht immer viel geredet haben glaube ich, dass wir beide in wichtigen Fragen oder Situationen die uns bedrücken, voneinander wissen, dass wir miteinander reden können.
Außerhalb meiner Arbeit bin ich, vor allem in den letzten drei Wochen, angekommen. Meine Leidenschaft, das Tanzen ist hier überall gegenwärtig und durch Freunde habe ich zwei Tanzgruppen gefunden, mit denen ich fast jeden Tag trainieren kann und die letzte Woche sogar Shows getanzt habe. Es tut unglaublich gut außerhalb der Arbeit eine regelmäßige Beschäftigung zu haben und Leute zu treffen die ähnliche Interessen haben.
Dadurch, dass die Auftritte in sehr verschiedenen Stadtteilen statt finden lerne ich als guten Nebeneffekt auch noch neue Plätze kennen und orientiere mich immer besser.
Ganz allgemein lässt sich über meine bisherige Zeit hier sagen, dass ich bemerke, wie sehr sie mich wachsen und groß werden lässt. Gerade noch in der Schule gesessen und für das Abitur gepaukt und nun fast wie in einem neuen Leben, welches aus einer komplett neuen Umgebung, andersartigen aber irgendwo auch gleichen Menschen, einem festen Arbeitsalltag und aber auch Freizeit besteht, in der ich mir unglaubliches leisten kann, wie an traumhaften Stränden sitzen, Gewürzplantagen besuchen, Tropfsteinhöhlen begehen, mit der Fähre den Ozean überqueren und mich ein bisschen zu fühlen als wären wir in einer Seifenblase, die jeden Moment zerplatzen könnte.
Ein Leben was auf der einen Seite einen Einblick ins Berufsleben gibt und nebenbei noch viele andere kleine Aufgaben stellt, die ich in Deutschland nicht zu bewältigen hätte und aber auf der anderen Seite ein Leben, welches mir durch seine Möglichkeiten die im Kontrast zu seinen Schwierigkeiten manches mal unwirklich scheinen, eine Position verleiht die ich in meinem Leben vorher nie hatte und bei der ich mir auch nicht sicher bin ob ich sie behalten wollen würde.
Was ich damit meine ist die Disproportionalität meiner Stellung hier im Vergleich zu der einer erwachsenen Person mit Familie und Beruf, vor allem spreche ich hier von Geld und was es einem in der Gesellschaft hier für eine Stellung zuweist.
In einem Gespräch mit einer solchen erwachsenen Person wurde mir vor kurzem ganz bewusst, dass ich trotzdem ich keinen Beruf habe und erst am Anfang eines Berufslebens stehe, welches momentan noch nicht mal genug ausgereift scheint um es genau zu benennen, durch die Gelder von weltwärts und meinem Spendenanteil, pro Monat sehr viel mehr zu Verfügung habe als ein normal arbeitender Lehrer hier.
Als mir das so deutlich in meiner Umgebung begegnete, schien es mir auf einmal nicht mehr ganz unverständlich, dass ich als junge Frau oft nach Geld gefragt werde, beziehungsweise davon ausgegangen wird, dass ich die Kosten für gemeinsame Unternehmungen übernehme. Denn für einen Tansanier der merkt, dass ich mir bestimmte Dinge leisten kann, die er sich nicht leisten kann, ist die logische Schlussfolgerung daraus, dass ich dann auch diejenige bin, die den Großteil übernimmt.
In den letzten drei Monaten hier habe mit verschiedenen Menschen Erfahrungen in dieser Art gehabt und ich will für alle, die sich in Zukunft mit dem Thema Geld herumschlagen müssen und was es hier heißt mehr davon zu haben, als manche Leute, die in Deutschland sicherlich gesellschaftlich über dir stehen würden, sagen, dass man für sich selber eine Lösung finden muss mit dieser Tatsache umzugehen aber man auch merkt wer sich bemüht an anderer Stelle mit kleinen Aufmerksamkeiten oder enormer Zuverlässigkeit in einer wichtigen Situation etwas zurück zu geben und wer sich einfach ganz gerne einladen lässt.
Dass ich soviel von Geldangelegenheiten berichte hat damit zu tun, dass ich diesen Punkt selbst unterschätzt habe. Ich habe mich wie gesagt vorher nie damit auseinandersetzen müssen mehr davon zur Verfügung zu haben, als eine Person die beruflich oder auf das Alter bezogen über mir steht und es ist ein leidiges Thema für mich, weil ich das Gefühl habe, immer wieder auf Proben gestellt zu werden, die mich in einen Zwiespalt treiben, zwischen „Bin ich zu egoistisch?“ und „Ist das Gegenüber aufrichtig?“. Jedoch wachse ich auch daran.
Das Wetter ist zu Anfangs noch gut erträglich gewesen und bis jetzt spüre ich auch keine Gelähmtheit oder völlige Antriebslosigkeit, aber man merkt schon dass es heißer wird und der Regen immer wieder kommt. Allerdings ist die Regenzeit glaube ich nicht so wie ich sie mir vorgestellt habe, wenn es regnet dann eher morgens oder spät abends und man ist davon kaum beeinträchtigt. Die ersten male habe ich mich über den Regen gefreut, weil ich sofort ein Heimatgefühl verspürt habe, mittlerweile ist die Vorstellung, dass in Deutschland gerade Winter ist und meine Familie und Freunde bald im Schnee sitzen werden, fast unrealistisch.
Familie und Freunde sind ein wichtiger Teil den ich in meinem ersten weltwärts Bericht nicht aussparen will. Ich hatte vor allem in den ersten zwei Monaten noch sehr damit zu kämpfen, dass sie so weit weg sind. Fast jeden morgen ergriff mich ein Gefühl des Unwohlseins und ich hatte die erste Zeit viel Heimweh nach Vertrauten Menschen um mich herum. Für mich ist diese Zeit hier in Tansania, die erste so lange Zeit weit weg von all meinen geliebten Menschen. Ich freute mich von vornherein sehr auf Dar Es Salaam und die Menschen aber mir war auch bewusst, dass es schwer sein würde, ohne einen Gesprächspartner, der mich wirklich kennt und mal in den Arm nehmen kann, wenn ich an mir zweifle oder mich schwach fühle. Es hat sich aber herausgestellt, dass diese Erfahrung eine der für mich wichtigsten ist, die ich bisher gemacht habe denn sie scheint mir für mein weiteres Leben sehr existenziell zu sein. Jetzt, nach etwas über drei Monaten gehe ich mit Phasen in denen ich mich alleine fühle schon besser um, ich höre Musik, gehe raus und manchmal lasse ich es aber auch einfach zu, ziehe mich zurück und skype vielleicht mal mit einem meiner Freunde oder Verwandten.
Bald kommt nun auch der erste Besuch und ich bin wahnsinnig gespannt wie es sein wird einen sehr vertrauten Menschen in meiner mittlerweile auch schon vertrauten Umgebung zu begrüßen und wie es funktionieren wird und ob ich mich anders fühlen werde als sonst oder ob ich mich so verhalten kann wie immer.
Ich habe das Gefühl die Zeit vergeht rasend schnell und ich möchte noch soviel machen, sehen, lernen und erkennen, ich hoffe meine Erfahrungen bleiben weiter möglichst positiv und ich finde auch in der Arbeit einen festen Standpunkt.
Ich bin unheimlich froh diese Möglichkeit beim Schopf gegriffen zu haben und bin gespannt auf das, was mich weiterhin erwartet.